Schlechte Zeiten – gut für Weihnachten?

Wenn Eltern oder Großeltern von Weihnachten erzählen, dann hören wir oft Geschichten aus der Kriegs- oder Nachkriegszeit, wie das Fest mit ganz kargen Mitteln und in widrigen Umständen gefeiert wurde. Das Fazit ist fast immer: Trotz allem war es ein tolles Fest, und die Menschen konnten mit ganz wenigem zufrieden und vor allem auch glücklich sein.

Daraus müsste man eigentlich den Schluss ziehen:

Schlechte Zeiten sind wohl gut für Weihnachten.

Damit liegen wir auch schon ganz nah beim ersten Weihnachten mit der Geburt Jesu, wovon in der Bibel erzählt wird. Denn da war die Zeit so schlecht, wie wir uns das kaum vorstellen können. Die Unterdrückung durch die Römer und deren Soldaten war unerträglich. Armut und Angst prägten das Leben. Die Jahrhunderte alten Geschichten der Propheten, die von ähnlichen Erfahrungen erzählten, wurden wieder lebendig, und weckten neue Hoffnung auf bessere Zeiten. 

Von Jesaja ist aus schlechter Zeit ein solcher Hoffnungssatz überliefert:

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. (Jesaja 9,1+5)

Die Zuhörer des Propheten sollen damals Licht am Ende des Tunnels sehen, in einer Zeit, in der sie von Gott allenfalls noch mehr Unheil, aber nichts Gutes mehr erwarten. Ein erbarmungsloser Krieg hatte das Land und alle Hoffnungen zerstört, von jahrelangen Belagerungen waren die Menschen zermürbt. Aber jetzt sollen sich die Machtverhältnisse ändern. Die Unterdrücker sind am Ende und die Unterdrückten dürfen wieder frei atmen. Ein Kind tritt an die Stelle der bisherigen Machthaber und bringt Frieden.

Ein Teil der Menschen hörte das als Geburtsanzeige vom Königshof, die anderen spürten, dass mehr dahinter steckt: Nicht nur ein kleiner Prinz, der zwanzig oder dreißig Jahre später als neuer König doch wieder in die alt hergebrachte Herrschaft zurückfällt, sondern ein göttliches Kind kommt, das die Menschen so in seinen Bann zieht, dass sie alle Machtansprüche abgeben und Recht und Gerechtigkeit gelten lassen. 

Jedes Kind, das seitdem geboren wurde offenbarte eigentlich diese Hoffnung, aber die meisten Menschen blieben blind dafür, bis das eine Kind in der Krippe im Stall von Bethlehem zur Welt kam.

Dieses alte Prophetenwort wurde im Lauf der Zeit zur neuen Hoffnung und zum wichtigen Teil der Weihnachtsbotschaft. Es lässt die kindlichen Vorstellungen von machtloser Gerechtigkeit zur Zukunftsvision werden. 

Kinder haben immer noch viel größeres Gespür und mehr Phantasie dafür, wie Menschen in Gerechtigkeit zusammen leben können. 

Wenn unsere Gegenwart und Zukunft durch Inflation, Klimawandel, Krieg, Pandemie und schlechte Politik also völlig dunkel und hoffnungslos ist, wie es zurzeit fast überall verbreitet wird, dann ist wohl jetzt eine gute Zeit, um den weihnachtlichen Traum neu aufleben zu lassen.

Wenn schlechte Zeiten für Weihnachten gut sind, dann ist jetzt die Chance für eine Neuentdeckung: 

Nicht die Starken haben das Recht zu bestimmen, wo es lang geht, sondern die Schwachen geben die Orientierung. 

Fast alle Weihnachtsgeschichten, die in der Bibel genauso wie die in unzähligen Geschichtenbüchern, lesen sich quer zur Alltagserfahrung und wollen Mut in hoffnungslosen Zeiten machen. 

Vielleicht wächst aus dem Unbehagen über das, was alte Leute von früher erzählen, die Kraft und der Mut, sich doch noch für die erträumten Veränderungen einzusetzen, und an einer lebenswerten Zukunft zu arbeiten, statt nur den Mangel zu verwalten. Mit einer großen Hoffnung ist es auch zu ertragen, wenn nicht alle Träume und Wünsche sofort in Erfüllung gehen. 

Gott verspricht, dass seine Kraft in den Schwachen mächtig ist.

Und wenn es doch noch kein rundum gutes Weihnachtsfest wird, dann setzen wir dagegen unseren Gruß, der ja nicht „Gute Weihnachten“ lautet, sondern: Frohe Weihnachten.

Pfarrer i.R. Tereick